umfriedete Pfarrbezirke (Enclos paroissiaux) der Bretagne
Umfriedete Pfarrbezirke (Enclos paroissiaux) sind charakteristisch für die religiöse Architektur und kommen in dieser Form nur in der Bretagne vor. Die meisten umfriedeten Pfarrbezirke stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert und konnten zu Zeiten des wirtschaftlichen Wohlstandes durch den Handel mit Leinen und Hanf erbaut werden.
Kalvarienberge sind das Wahrzeichen der Bretagne, wo sie während der bretonischen Renaissance (zwischen 1450 und dem 17. Jahrhundert) besonders im Finistère in eigens geschaffenen umfriedeten Pfarrbezirken entstanden.
Der umfriedete Pfarrbezirk (Enclos paroissial) stellt ein deutlich nach außen abgegrenztes Ensemble von aufeinander abgestimmten Bauten dar, deren religiöser Mittelpunkt der Kalvarienberg ist.
Mindestens fünf der folgenden acht Elemente gehören zu einem umfriedeten Pfarrbezirk:
• ein Friedhof und die meist recht hohe steinerne Einfassung (Cimetière dans le placître)
• ein Triumphtor (Porte triomphale oder Arc de Triomphe), das in den Bezirk hineinführt
• ein Beinhaus (Ossuaire)
• ein Kalvarienberg (Calvaire)
• eine Kirche Église mit einer vorgelagerten Eingangshalle (Portalvorbau)
• eine Kapelle mit Reliquienschrein (Chapelle reliquaire)
• ein Brunnen (Fontaine)
• eine Umfassungsmauer (Mur d'enceinte)
Im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert bauten wichtige Pfarrgemeinden einen Triumphbogen oder monumentale Tore (Arc de Triomphe - Porte triomphale), die als Eingang zu ihren Friedhöfen dienten. Das Triumphtor wurde bretonisch "Porz ar maro" genannt, weil es den Eingang auf den Friedhof markiert.
Friedhof und Einfassung Saint-Ronan in Locronan
Triumphtor von Saint-Pierre et Saint-Paul in Argol
Im Beinhaus wurden die exhumierten Gebeine der Toten in kleinen Kammern aufbewahrt, weil Platz für neue Bestattungen fehlte.
Ein Kalvarienberg stellt eine lebensgroße Nachbildung der Kreuzigungsgruppe dar. Die Darstellung gruppiert sich um das Kreuz. Notre-Dame de Tronoën in Saint-Jean Trolimon besitzt den ältesten Kalvarienberg der Bretagne.
Beinhaus in Saint-Thégonnec
der älteste Kalvarienberg Notre-Dame de Tronoën
Die Schädel der Toten wurden in einem weiteren Gebäude in Reliquienschachteln aufbewahrt. Bei diesem Gebäude handelt es sich entweder um einen Anbau an die Kirche oder um ein freistehendes Gebäude.
Die Kapelle Sainte-Marie-du-Ménez-Hom steht in der
Nähe des Bergs Ménez-Hom und besitzt einen Anbau
für die Reliquien.
linkes Foto: Die Kirche Église Notre-Dame de Roscudon
hat eine vorgelagerte Eingangshalle im gotischen Stil.
Ein Brunnen befindet sich bei der Kapelle Notre-Dame-de-Bonne-Nouvelle in Locronan auf der Halbinsel Crozon.
Die bedeutendsten umfriedeten Pfarrbezirke befinden sich in Argol, Bodilis, Commana, Guimiliau, Lampaul-Guimiliau, La Martyre, Pleyben, Plougastel-Daoulas, Plougonven, Runan, Saint-Suliac, Saint-Thégonnec und Sizun.
Kalvarienberg Guimiliau
Apostel in der Vorhalle Guimiliau
Beeindruckend wirken die Statuen und Szenen des skulpurreichen Kalvarienbergs Guimiliau. In der südlichen Vorhalle der Kirche Saint-Miliau des umfriedeten Pfarrbeziks Guimiliau stehen 12 Apostel Statuen unter reich verzierten Baldachinen.